Das gute, süffige, gschmackige Bier

aus dem Freistaat Bayern



Meist wird, wenn vom Bier die Rede ist, nur der Mißbrauch gemeint, das Über-den-Durst-Trinken, die Aggressionslust, die sein übermäßiger Genuß auslöst, das Rauschigsein, der Suff. Dabei kann das Bier beanspruchen, unter die edelsten Nahrungsmittel gerechnet zu werden, die im Reich des Kulinarischen ersonnen worden sind, denn es erfüllt die beiden Grundforderungen der höheren Gastrosophie: die Reinheit der Ingredienzien und die Reinlichkeit der Zubereitung. Sein Genuß ist anregend wegen des Alkohols und der Kohlensäure und gleichzeitig infolge des Hopfens beruhigend. Und dann kommt noch etwas dazu, was bei kaum einem anderen mir bekannten Nahrungs- und Genußmittel so deutlich ist: der erste Schluck ist nicht nur der beste, sondern sein Genuß erscheint so außerordentlich gesteigert über allem, was nachher kommt, daß man dieses im physischen Bereich nur schwer zu erklärende Phänomen am liebsten einer höheren geistigen Macht zurechnen möchte. Auf die Reinheit unseres Bieres sind wir Bayern mit Recht stolz, und auch derjenige, der seiner Lebtag nichts von bayerischer Geschichte gehört hat, weil sie an bayerischen Schulen ja nicht gelehrt wird, erfährt eines Bierfässer vom Hofbräuhaus aus Bayern Tages, daß im 16. Jahrhundert ein Herzog diese Reinheit zum Gesetz erhoben hat.
So einfach wie die Zutaten Gerste, Hopfen und Wasser ist auch die Zubereitung. Praktisch kann jeder, wenn er nur einen Waschkessel hat, Bier brauen: Gerste zum Keimen bringen, rösten, wieder einweichen, sieden, Hopfen zusetzen, abkühlen und gären lassen. Ursprünglich war ja das Biersieden eine Hausfrauensache, und heute noch erinnern daran die vielen Hausbrauereien. Trotzdem ist aus alten Abgabeverzeichnissen ersichtlich, daß es schon im Mittelalter ein wirtschaftsmächtiges, abgabekräftiges Braugewerbe gegeben hat und nicht nur hauswirtschaftliches Biersieden. Das Bierbrauen war bis in die Neuzeit herein ein herzogliches, später ein kurfürstliches Lehen; ja der Landesherr hat sich das besonders einträgliche Geschäft des Weißbierbrauens überhaupt selbst vorbehalten. Das Staatliche Bayerische Hofbräuhaus ist ein Relikt dieser landesherrlichen Bierbrauerei.
Der Hinweis auf den Waschkessel und die Hausbrauereien soll niemanden verleiten zu glauben, das Bierbrauen sei eine ganz einfache Sache, so wie man eine Suppe kocht. Die Existenz einer der Technischen Universität München angeschlossenen Fakultät für das Brauereiwesen in Weihenstephan bei Freising, am Sitz einer der ältesten Klosterbrauereien des Landes, zeigt, daß das Bierbrauen eine Wissenschaft geworden ist. Eine Kunst war es immer schon und der tüchtige Braumeister einer der geachtetsten Mitbürger. Ober die einzelnen Biersorten, das Vollbier und das Exportbier, Starkbier, Märzenbier, Bock, Pils und Pilsener, Helles und Dunkles, Weizen und Champagnerweizen, obergäriges und unter- gäriges und den Scheps, das billige, leichte Erntebier, will ich mich hier nicht auslassen. Wo es eine Funktion im Rahmen herkömmlicher Sitten und Bräuche hat, wird es ohnedies erwähnt, beim Salvator, beim Maibock und beim Oktoberfest. Nur so viel: Das ominöse Wort "Stammwürze", das den Unkundigen verwirren könnte, bedeutet, wieviel Bierextrakt (das ist die Lösung, die beim Erhitzen der zu Schrot zerkleinerten gemälzten Gerste aufsteht) das jeweilige Bier enthält. Ein Mittelwert sind 12 Prozent Stammwürze, das heißt, daß der Anteil der Stammwürze an einem Hektoliter Bier 12 Liter beträgt. Um zu errechnen, wieviel Alkoholgehalt das Bier hat, muß man die Stammwürzezahl durch drei oder vier teilen. Zwölf Prozent Stammwürze bedeuten also drei bis vier Prozent Alkohol. Gesellschaftsbildende Kraft entwickelt das Bier immer noch in erster Linie am Wochenende auf dem Land, wo das Wirtshaus, trotz des Fernsehens daheim, die Männer versammelt, und wo einzelne immer noch beachtliche Leistungen vollbringen, so daß auf dem Bierfilzl kein freier Platz mehr ist für das Stricherl, mit dem die getrunkene Halbe markiert wird. "Mei, der hot am Sonntag wieder gsuffa", heißt es dann eine ganze Woche lang bei den Maurern auf den Baustellen, wo Gelegenheit ist, die jeweiligen Rekorde zu besprechen, eine Woche lang, bis zum nächsten Wirtshaus-Sonntag.


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